Beziehungsweisen
Andreas Golinski, Hans-Dirk Hotzel, Franka Hörnschemeyer, Schirin Kretschmann
Kurator: Denis Bury
- Eröffnung am 26.5.2019, 11 – 18 Uhr
- 30.6.2019, 12 Uhr: Ende der Ausstellung mit einer performativen Aktion von Schirin Kretschmann
Ausstellungsrundgang | Ausstellungsansichten | Kurzbiografien
Ausstellungsrundgang
Vier ganz verschiedene Künstler treffen in dieser Ausstellung mit ihren Untersuchungen im Raum aufeinander.
Franka Hörnschemeyer installiert übergroße oder raumgreifende Arbeiten. Die hier gezeigte Papierarbeit Diffusion and Confusion ist dem gegenüber geradezu schlank, vor allem aber als theoretische Basis anderer Werke zu betrachten. Die architektonischen Grundrisse zeigen Variationen an Labyrinthen. Ziel dieser ist es, den Besucher den längsten Weg von einer Öffnung zur nächsten zu ermöglichen. Dabei haben die einzelnen Module meist zwei Türen, von denen nur eine geöffnet ist. Damit ergeben sich nicht nur ein, sondern sehr viele Wege durch das Labyrinth.
Nach dieser gedanklichen Öffnung der Ausstellung, treten wir nun in Beziehung zu einer von Schirin Kretschmann vor Ort erstellten Zeichnung.
Fünf Rechtecke hat sie aus gemahlener Kreide auf den Boden gesiebt. Diese nehmen einen direkten Bezug auf die Fenster des Raumes. Dem Lichteinfall hat sie durch die weiß pigmentierte Kreise symbolische Plätze zugewiesen. Damit wird das Außen – der Hof vor dem Ausstellungsraum – in die Ausstellung einbezonge. Fomrale Ähnlichkeiten ergeben sich durhc die Bodenbeschaffenheit, die den mit Lack behandelten Türen ähneln, mit ihren über die Jahre erhaltenen Abnutzungen, wie Kratzspuren oder Fingerabdrücken.
Ob der besucher nunb an den Bodenzeichnungen vorbei geht oder über sie hinweg, sind Entscheidungen, die individuell und ohne Wertung getroffen werden müssen oder unbewußt vollführt werden,
Der Weg führt vorbei an einer geradezu unscheinbaren Arbeit, die aber, einmal entdeckt, räum- und zeitgreifend erscheinen kann: Ein klassisches Ausstellungsschild von Hans-Dirk Hotzel beschreibt oder fordert zum Innehalten auf. Was nun genau damit gemeint ist, spielt sich nur in der Außeinandersetzung des Besuchers mit der Arbeit ab. Werk und Betrachter treten also in eine besondere Beziehung. Und ob dieser nun bewußt innehält, vor dem Schild, vor der Wand, in dem Raum, vor oder nach der Zeichnung Schirin Kretschmanns, ist in alle Richtungen denkbar.
Hans-Dirk Hotzel hat immer wieder – auch mit einem Schmunzeln – den Betrachter in seiner Wahrnehmung hinter- fragt und herausgefordert. Ist dieses Schild nun letztlich eine Verhohnung des Kunstbetriebes oder eine Wertschätzung für diesen. Oder dem Moment, den der Betrachter ihm, beziehungsweise sich, schenkt?
Der Künstler stellt noch einmal alles in Frage, mit der darauf folgenden Videoarbeit, in der man zuerst parallel schwankende Ecken wahrnimmt. Bei längerer Betrachtung ist ein um 45° gedrehter Ausschnitt eines Raumes erkennbar, in dem dieser leicht hin und her bewegt wird. Damit kann man nun endgültig den Boden unter den Füßen verlieren und der ganze Raum kommt in Bewegung – der ganze Denk- und Wahrnehmungsraum.
Um den Kosmos Hans-Dirk Hotzel etwas zu öffnen, sind neben dieser Videoarbeit noch neun weitere zu sehen, die alle um spezielle Blickwinkel kreisen.
Nach dem Kreisen führt der Weg zurück durch die Ausstellung und findet erst nach deren Ende, nämlich im Außenraum, eine letzte Herausforderung: an einem Treppenabgang stehen zwei fast körpergroße Ölbilder.
Nur auf einfachen Klötzchen und an die Wand gelehnt und in einer großen Ähnlichkeit zu dieser. Die Farbe der Wand blättert ab, sie hat deutliche Alterungsspuren. Die Bilder zeigen dunkle, anthrazite Flächen, teils ist ein grober Pinselstrich zu erkennen. Diese Bilder – nicht für die Ausstellung hergestellt, sondern von Andreas Golinski für die Ausstellung aus seinem Depot herausgesucht – gehen eine camouflageartige Verbindung mit den Wänden ein. Öffnen sie aber auch: Fragen nach Oberflächen, Tiefen, nach Raum stellen sich und sind wiederum nur im eigenen Gedankenkosmos zu beantworten.
So entlassen, kann der Besucher wieder den Weg durch die Umgebung des Ausstellungsraumes nach Hause suchen und dabei ein Teil des Lichteinfalls, der Bodenzeichung Schirin Kretschmanns werden, die am Ende des Ausstellungszeitraumes in einer Performance durch die Besucher aufgewischt wird.
Kurzbiografien
Hans-Dirk Hotzel
1956, Bochum; † 2015, Berlin
Konzeptionell, aber nicht ohne Humor. Diese Einleitung benötigt es eigentlich nur, da dies ein Text ist. Erst unbemerkt, dann umso heftiger öffnet sich die Arbeit eines Künstlers, der Räume, Situationen und auch den Kunstbetrieb in seiner Gänze hinterfragte. Eine angekündigte Ausstellung, die nicht stattfindet, ein Galerieraum dessen Decke um einige Zentimeter abgehängt für Irritation sorgt, Videos, die die Wunder des Alltäglichen sichtbar
machen, Hans-Dirk Hotzels Vielschichtigkeit konnte nur partiell sichtbar sein.
Andreas Golinski
*1979, Essen
Der Essener Künstler war vergangenes Jahr mit einer bemerkswerten Ausstellung zu Kunst & Kohle im Bochumer Kunstmuseum zusehen. Architektur in ihrer Intension und Wahrnehmung liegt seinen Arbeiten zugrunde, die auch in dieser Ausstellung Räume öffnen.
Schirin Kretschmann
*1980, Karlsruhe
Mit einer raumgreifenden Bodenarbeit wird die Malerin einmal mehr die Grenzen des Tafelbilds in den Raum erweitern. Bild und Betrachter loten Grenzen aus und die Besucher werden zu eigenen Auseinandersetzungen in Raum und Zeit aufgefordert.
Franka Hörnschemeyer
*1958, Osnabrück
Die Bildhauerin mit einer Proffesur an der Düsseldorfer Kunstakademie ist mit einer Arbeit zu sehen, die als Grundlage für verschiedene ihrer raumgreifenden Installationen angesehen werden kann, in denen sie sich mit Wahrnehmung, Verhaltensweisen und Denkmustern auseinandersetzt.