Holger Friese + Zeena Parkins
SG/SD

Kurator: Denis Bury

Toninstallation zu den Pogromnächten 1938 aus zwei Perspektiven: Zeena Parkins, Musikerin aus New York, schaut aus dem Blick der deutschen Juden auf die Folgen der Ereignisse. Der Berliner Künstler Holger Friese hingegen – verwandt mit einem damals aktiven NSDAP-Mitglied – nähert sich den Schaulustigen der Pogrome.

Die Installation beschäftigt sich mit den Nächten des 9. und 10. November 1938 aus zwei Blickwinkeln. Zeena Parkins Hauptaugenmerk liegt auf den Auswirkungen der Pogromnacht für die deutschen Juden. Holger Friese lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Schaulustigen, die teils schweigend, teils klatschend die Feuerteufel der SA und SS ihre schmutzige Arbeit verrichten ließen. Die beiden Blickwinkel ergeben sich auch aus der Abstammung der Künstler: Zeena Parkins ist amerikanische Jüdin und Holger Friese hatte einen Großvater, der aktiv in der NSDAP mitgewirkt hat. Die Installation besteht somit aus zwei akustischen Elementen, die sich vielschichtig aufeinander beziehen und in Interaktion mit den Besuchern treten. Zeena Parkins komponierte „Ekhe?“ als Repräsentation der Sonic Ghosts – diese Geister der Novemberpogrome werden den Raum bevölkern, durch ihn wandern und eine dichte atmosphärische Stimmung erzeugen. Ihren Ansatz der Komposition für diese Installation beschreibt sie wie folgt:

„Public memory is enshrined in memorials. But what happens when there is a monumental event in a public place and traces of violence are erased? We are left with descriptions of events that eventually get filtered where details are rearranged or forgotten. The acoustic ecology of the site is also disfigured or rearranged. Does some identifying sonic molecule hang stubbornly in the air, defying time and space? Or perhaps it’s simply a brutal non-existence that permeates, sinking into this space made empty. Zeena Parkins will investigate the traces or sonic ghosts of some of the synagogues destroyed on Kristallnacht. The lost shadows and echo (memory) of an invisible presence. This sonic eco-architecture, will take the form of site recordings from several locations of destroyed synagogues. These lingering sonic remnants will serve as one component of material used in the sound constructions located in this installation.“

Holger Friese implementiert im Ausstellungsraum dreizehn, auf den ersten Blick, unscheinbare Objekte. Dreizehn handelsübliche Rauchmelder werden unter der Decke des Raumes installiert.

Diese Rauchmelder sind komplett entkernt und mit neuem technischen Innenleben versehen. Die Platine, die normalerweise vor einem Brand warnt, wird entfernt und durch einen Infrarotsenor und einen Lautsprecher ersetzt. Die Melder provozieren so eine, fast zwangsläufige, Interaktion mit den Besuchern der Installation. Sie geben Alarm, wenn sich Besucher direkt unter ihnen aufhalten. Eingebettet in Zeena Parkins Komposition fungieren sie als störende Elemente. Die Besucher werden zum Auslöser von Brandalarmen, die sich mit den permanent im Raum vorhandenen „sonic ghosts“ zu einer komplexen und intensiven akustischen Erfahrung verbinden.

Als zusätzliche konzeptuelle Ebene dient uns die Auswahl der Abspieltechnik. Sämtliches akustisches Material wird von Schallplatten zugespielt. Hintergrund ist hier die Klammer 33 / 45 Umdrehungen, die gleichzeitig die Jahreszahlen des Beginns und das Ende des Naziregimes markieren.

Zur Ausstellung wurde eine limitierte Schallplatte produziert. Die Seite A beinhaltet Zeena Parkins Komposition Ekhe? die mit 45 rpm abgespielt wird. Die Alarmtöne der Rauchmelder werden von der speziell gemasterten Seite B der Schallplatte mit 33 rpm abgespielt. Auf dieser befinden sich dreizehn Tracks, die jeweils einem Rauchmelder zugeordnet sind. Sie sind als Umdrehungsloop geschnitten und somit endlos abspielbar. Die Tonhöhe der Alarmtöne greift die Jahreszahlen noch einmal auf und umfasst den Tonbereich von 3300Hz bis 4500Hz in 100Hz Schritten. Jeder Rauchmelder wird mit einen Schallplattenspieler/einem Alarmton verbunden. Somit setzt sich die Installation aus 13 + 1 Schallplattenspielern und ihren zugeordneten Lautsprechern zusammen. 

Dreizehn gebrauchte Schallplattenspieler stehen als Stellvertreter für jeweils ein Jahr des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945 und ein zentraler Tangential-Schallplattenspieler repräsentiert die Geister der 1938 aufkommenden Shoah.

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